Wie andere in vergangenen Jahren hatten dieses Jahr vier LSV-Mitglieder den Jungfrau Marathon auf ihrer Bucket List. «Da wär doch no Öppis!» Dieser Satz fällt wohl noch und nöcher in einem Laufverein und wenn er fällt, dann fällt er dort auf fruchtbaren Boden. Nach dem Ironman Rapperswil, dem Frauenfelder Marathon wieder mal ein grösseres Projekt, dieses Mal war es Yvonne, die den obigen Satz fallen liess und er fruchtete bei Thomas, Miriam und Vera. Angemeldet war man schnell, bei den einen war auch noch das Mundwerk gross, bevor man dann realisierte, dass dies wohl wirklich ein grösseres Projekt ist. Im Winter war der Marathon noch weit weg, aber mit den wärmeren Temperaturen rückte das Training näher und die Realisation, dass es hart werden könnte.
Zum Glück hat es im LSV schon ein paar Mitglieder, die den Jungfrau Marathon bereits abgehakt haben und mit guten Ratschlägen und Tipps zur Seite standen. Vor allem hiess es immer wieder: «Der Jungfrau Marathon, der ist schön!» Ja, wenn der so schön ist, dann wird es schon klappen. Und so trainierten die vier. Entweder diszipliniert mit einem Trainingsplan oder diszipliniert ohne Trainingsplan oder ein wenig verrückt, indem man einfach zwei andere Bergmarathons absolviert, um mal auszuprobieren, ob man es schafft. Oder man schliesst sich den Disziplinierten an und jammert dabei, was das Zeug hält. Am Freitag, den 6. September sitzen dann aber alle vier im Zug nach Interlaken und haben ihre obligaten Bergtrainings-Läufe im Kasten, respektive in ihrer Garmin und den Beinen und fühlen sich mehr oder wenig bereit für den schönsten Marathon der Welt. Als Supporter kommt ein Ehemann mit und wird am Abend im Hotel mit Gels, Hüten, Bananen, Taschen und vielen Instruktionen überhäuft, wann er an welcher Stelle der Strecke welcher Person was geben muss. Der andere ruhige Ehemann läuft mit und denkt sich seinen Teil, seine Gels nimmt er selbst mit.
Nach einer etwas unruhigen Nacht geht das Abenteuer los. Die Vermieter der Suite werden sich ihren Teil gedacht haben, alles, was die Mieter am Morgen brauchten waren etwa sechs Kaffees! Hunger haben die vier Läuferinnen und Läufer nicht so, man isst was, aber mehr, weil man muss. Viel grösser ist der Wunsch, vor dem Lauf noch eine Toilette zu finden. Schwierig, wie immer bei solchen Laufevents. Nach der Abgabe der Effektentaschen schwärmt jeder aus auf der Suche nach einem WC. Die Lösungen sind unterschiedlich: «Ich verklemms mir und suche mir dann ein Maisfeld», «ich pinkle hinter einen Busch wie viele andere Männer» bis zu, «dann probiere ich als weibliche Person halt das Pissoir aus», wurde alles getestet.
Dann hält Albert Rösti in seinem Schweizerenglisch eine Ansprache, wünscht alles Gute, die Nationalhymne wird gespielt und dann, endlich, fällt der Startschuss. Und los geht es auf die schönsten 42,2 km der Welt. Die Strecke führt zuerst rund vier km durch Interlaken und nochmals durch das Zielgelände, bevor man dann den Weg nach Wilderswil, Lauterbrunnen unter die Füsse nimmt. Vera und Thomas im Startblock der 5:30, Yvonne und Miriam im Block 6:00 h. Schön einteilen ist das Motto. Eigentlich würde man jetzt noch gut etwas schneller laufen können, aber ob das klug ist? Nach 15 km lahmt die erste Stute ein wenig und oh Schreck, beim Verpflegungsposten hat es keine Riegel mehr. Bei km 17 überlegt sich die lahmende Mähre, wie sie es ihrer Kollegin nun beibringen soll, dass sie den Marathon aufgibt. Ein wenig langsamer laufen und endlich dann in Lauterbrunnen ist zum Glück der Supporter Ehemann stationiert. Nach einem Cola Gel geht es wieder besser und noch ist die Strecke flach, die Berge lachen von links und rechts auf die Läuferinnen und Läufer herunter und das Publikum jubelt und feuert einen an. Es geht besser. Es kümmert sich auch niemand, wenn das Maisfeld als WC fungiert. Ausser das einfach jeder weiss, dass jemand aus dem LSV-Frauenfeld an den Wegrand gepinkelt hat, denn die lahme Mähre trägt stolz das leuchtend grüne T-Shirt des Heimvereins. Nach 25 km ist es Schluss mit dem flachen Gelände, aber das ist gut so. So schnell geradeaus laufen macht müde, jetzt darf man auch mal schnell gehen. Steil geht es nun im Zickzack hinauf nach Wengen. Das Gemüt ist noch auf Hochstimmung, jeder in diesem Startblock geht, keine läuft wie ein Profi den steilen Bergpfad hoch, man ist noch gut in der Zeit, die Waden tun nicht weh, das Wetter ist super, die Stimmung genial. Nach einer guten Stunde ist das erste Steilstück passiert, beim Verpflegungsposten wird brav getrunken, gegessen und weiter geht es nach Wengen. Es geht geradeaus und ohoh – ein wenig abwärts. Kann es sein, dass es da und dort doch etwas ziept, das Knie etwas weh tut? Nein, jetzt wird nicht gejammert, es ist zu früh, noch nicht einmal 30 km sind passiert.
Immer wenn man durch einen Ort rennt, wird man jubelnd begrüsst, Musik spielt, man ist ein Held, eine Heldin. Die Mittagssonne brutzelt bereits heiss auf die sowieso schon heissen Köpfe. Gut 33 km liegen zurück, es geht aufwärts, im Magen dümpeln sich eine Mischung aus Gel, Powerriegel, Bananen, Iso-Drink und eigentlich würde man jetzt gerne eine Runde schwimmen. Nach dem Gejubel in Wengen geht es hoch zur Allmend und jetzt ist der Moment da, wo es nicht mehr so lustig ist, auf jeden Fall bei der Mähre. (Ja, es ist diejenige, die sich den Disziplinierten angeschlossen hat, jetzt zahlt sich eben das Training aus!) Sie ist eben eine Appenzeller Berggais und kein Berner Alpechalb. «Isch nüme so guet», jammert es. «Gang nu.» Aber in diesem Moment zeigt sich eben noch etwas ganz Anderes. Man hat zusammen eine Idee, man meldet sich zusammen an, man trainiert zusammen, man ist da füreinander. «Sicher nöd, isch so schön gsi bis jetzt, wär doch schad!» Ein wenig gehen, ein wenig jöggerle, gute Zusprüche. «Jetzt chömmer bis det ane laufe und denn gsesch s volle Panorama, heb dure!» Nach einem weiteren Gel des Supporter Ehemanns, skeptische Blicke die mehr als nur «Hoffentlich machts sie es noch!» sagen geht es zäh weiter bis zu km 38 – dem Wixi. Und ja, dort hat man wirklich das volle Panorama. Eiger, Mönch und Jungfrau erstrahlen in ihrer vollen Pracht, blauer Himmel, die Schweizer Bergwelt wie im Bilderbuch. Und vor einem schlängelt sich wie ein langer bunter Tazelwurm die Läuferinnen und Läufer hoch zur Station Eiger Gletscher. Auch wie im Bilderbuch oder besser gesagt wie auf der Homepage des Jungfrau Marathon. Noch gute drei Kilometer sind es, steile Kilometer. Aber mit so einer Aussicht geht es besser. Begleitet wird das von Alphornbläsern, Fahnenschwingern, es ist einfach wahnsinnig schön. Und weil es ein schmales Weglein ist und jeder etwas müde Beine hat, reiht man sich einfach schnaufend und keuchend ein und marschiert hoch, dem Ziel entgegen. Der letzte Kilometer ist kurz noch einmal etwas flach. Ein Blick zurück und da ist es, das Bild, das man von jeder Homepage, die den Jungfrau Marathon anpreist kennt. Die berühmte Schlange über die Moräne, im Hintergrund die Berge. «Jetzt simmer würklich do!» So kurz vor dem Ziel, dieses Bild, jetzt brennen die Tränen. Durchbeissen und weiter, wir schaffen es. Und dann liegt er vor einem, der rote Teppich kurz vor dem Ziel. Hand in Hand gehen die «Trainings-Besties» ins Ziel, wo bereits Thomas und Vera warten, auch sie strahlen, beide zufrieden mit ihrem Resultat. Vera, die absolute Rakete mit einer Zeit von 5:17 h, sie hat in Wengen ihren Kollegen Thomas überholt, der mit einer Zeit von 5:36h das Ziel erreicht hat. Und mit einer Zeit von 6:07 folgen Miriam und Yvonne, Yvonne mit einer Sekunde Vorsprung, sie hat es verdient, musste sie die Freundin ja noch mitschleppen, die bereits im Tal Zweifel hegte.
Jetzt gibt es das T-Shirt, dä Plämpu, Linzertörtli, Banane, ein Bier und, was für die Ü45 wichtiger ist, die Lesebrille. So kann man dann bei bestem Ausblick den Lauf auf Strava hochladen, Bilder machen und der Welt von seiner Leistung erzählen.
Der Supporter Ehemann verteilt Salzstängeli, steht brav über eine Stunde an, um mit dem Bähnli wieder ins Tal zu kommen, während die vier LSV-Mitglieder als Läuferinnen und Läufer schneller in die Gondel durften.
Herrlich ist die Dusche, die in einer Parkgarage eingerichtet worden ist. Die Füsse sind ein wenig in Mitleidenschaft gezogen, die Beine tun weh, alle vier nehmen die Rolltreppe und bleiben stehen, unüblich für Läuferinnen und Läufer. Der Zug nach Interlaken ist auch pumpsvoll, ein Gemisch aus türkis und blau und stolzen Gesichtern. Jetzt sind alle müde und wollen nach Hause. Um 18:00 Uhr sitzen sie im Zug nach Frauenfeld. Es wird gefuttert, vor allem Chips. Jeder erzählt von seinem Lauf: Wie ging es einem an welcher Stelle, wo war es schwierig, wo war es schön. Und in den Köpfen brütet bereits wieder die eine oder andere Idee. Aber ausgesprochen wird sie noch nicht, solange einem die Beine noch weh tun. Schön war es, ein Abenteuer, ein tolles Erlebnis mit einer tollen Crew. Danke für die Idee, für den Support, fürs Trainieren, für alle Tipps und guten Zusprüche. Wer vom LSV wird es wohl im nächsten Jahr wagen? Wir sind auf jeden Fall begeistert und wissen auch dir zu helfen, seien es Trainingstipps, einer guten Absteige in Interlaken oder Ideen, wo man ein WC findet. Lohnen tut sich dieser Marathon auf jeden Fall.