Bericht von der Berner-Walliser Alpen-Tour 2020

Berggeissen im Trailrunningfieber

Die Corona-Zeit hat vier LSV’ler inspiriert neues auszuprobieren. Wie heisst es doch so schön: Keine Läufe, keine Herausforderung. Dies jedenfalls gilt für die männlichen Mitglieder unserer Gruppe. So ist die Idee entstanden, an einem Berglauf oder einer Trailrunningtour teilzunehmen. Während die männlichen Mitglieder unserer Gruppe nach Bergläufen suchten, habe ich mich nach einer Trailrunningtour umgehört. Der Tipp von Steffi Isler tönte verheissungsvoll: die Berner-Walliser Alpen-Tour vom 4. bis 7. Juli von der Mega Joule GmbH! Nach erfolgter Anmeldung kam dann allerdings die erste Nervosität auf, wurde doch in der Bestätigung des Veranstalters empfohlen, auch das Abwärtslaufen zu trainieren. Unsere Trainingsläufe im Team auf den Kronberg, das Schnebelhorn und die Hundwilerhöhe waren eine willkommene Abwechslung in unserer Laufagenda. Doch würde es möglich sein, innert vier Tagen rund 95 Kilometer und beinahe 5’000 Höhenmeter zu bestreiten?

Am Samstag 4. Juli besammelten wir uns in Kandersteg zu unserem ersten Traillauf. Das Gepäck konnten wir abgeben, denn unser Zielort war Leukerbad. Einige der Läuferinnen und Läufer – mit bestem Material ausgerüstet – machten einen sehr professionellen Eindruck. Und wir? Andreas machte sich über meinen „Kuhglockenrucksack“ lustig, was sogleich an meinem Selbstvertrauen kratzte. Werde ich mit diesem Ding den Berg hinaufkommen? Werde ich das Tempo mithalten können?

Bereits die erste Etappe war ein Berner Oberländer Klassiker: von Kandersteg führte der Weg über den Gemmi nach Leukerbad. Für Trailrunner sind Luftseilbahnen ein Tabu; den Aufstieg zum Sunnbüel legten wir selbstverständlich mit eigener Muskelkraft zurück. Meine Bedenken waren schnell verflogen. Trailrunning heisst nicht, den ganzen Weg joggend unterwegs zu sein. Steile Passagen können durchaus laufend oder mit Hilfe von Trailrunningstöcken zurückgelegt werden. Stöcke rein und raus … das musste noch geübt werden, wollte ich doch keine Zeit verlieren und nicht jedes Mal auf die Hilfe von Christoph angewiesen sein. Über den Gemmipass sind wir dann nach Leukerbad gejoggt. Der Abstieg auf diesem sehr steinigen Weg (3 Kilometer und 1’000 Höhenmeter) war für mich eine echte Herausforderung, und innerlich habe ich mich schon geärgert über meine Unfähigkeit. Warum konnten Christoph und Andreas diesen Teil so leichtfüssig laufen? Mein Ehrgeiz war geweckt und mein Ziel gesteckt.

Am zweiten Tag sind wir über Brücken, Blumenwiesen, Schneefelder und durch Bäche entlang der weiss-roten Wanderwege zur Flüealp gelaufen. Von dort joggten wir über den Wolfstritt durch herrliche Wälder, Sümpfe sowie über Steine und Wurzeln zurück nach Leukerbad. Der Waldboden war voll mit Waldameisen. Trailrunning tönt sehr idyllisch, es braucht jedoch eine unglaubliche Konzentration. Tiefgründige Gespräche oder Träumereien sind nicht möglich. Stürze auf den schmalen und zum Teil sehr steilen Wegen entlang von Abhängen wären fatal.

Von Leukerbad führte uns die Route am 3. Tag weiter nach Crans Montana. Der Aufstieg kam uns unendlich lange vor, wohl auch, weil wir bereits 38 Kilometer und 2’000 Höhenmeter in den Beinen hatten. Dan meinte, nach spätestens 3 Kilometern würden wir den Muskelkater nicht mehr spüren. Belohnt wurden wir mit wunderschöner Sicht auf die Walliser Alpen auf der Alpage du Sex, wo wir eine Pause einlegten.

Die Königsetappe und zugleich letzte Tour führte uns von Crans Montana über den Rewilpass nach Lenk. Auf dem Suonenweg und entlang von Felswänden, sind wir zum Stausee Lac de Tseuzier gejoggt, mit Kurzhalt bei den Wasserfällen. Danach gings steil hinauf auf den Pass, wo Murmelilaute zu hören waren. Auf 2’400 Metern war es dann derart kalt, dass wir uns eine Jacke überziehen mussten. Von der Passhöhe hinab zur Iffigenalp erwartete uns ein sehr anspruchsvoller und steiler Abstieg: 1’100 Höhenmeter innerhalb von 4 Kilometern. Nur keine Müdigkeit zeigen, bald sind die 30 Kilometer geschafft. Das Vertrauen in den Körper war mittlerweile so gross, dass wir den Abstieg über Felsen, Schnee und Steine zur Alp wie Wiesel meisterten. Von der Iffigenalp waren es allerdings nochmals rund 8 Kilometer bis nach Lenk, die es „trailmässig“ zu meistern galt.

Die Trailrunningtage waren sehr anspruchsvoll und abwechslungsreich. Dank wunderschönem Wetter und einem tollen Leiterteam (Luzia und Dan) war die Tour ein voller Erfolg. Insgesamt sind wir während 4 Trailtagen 92 Kilometer, 4’896 Höhenmeter up und 5’076 Höhenmeter down gelaufen.

Das Trailfieber hat uns gepackt, neue Freundschaften wurden geschlossen, und mein „Kuhglockenrucksack“ hat sich bewährt! Die Frage ist, ob es für uns überhaupt noch möglich ist, in den Bergen zu „wandern“? Unseren ersten Trailrun werden wir im August absolvieren, zusammen mit einem weiteren LSV Mitglied.

Andreas, Christoph und Moni

9.7.2020/mf

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